Kleine Klage mit großer Wirkung? Der Fall Hamilton vs. Sri Lanka

Avatar photo Kristina Rehbein, erlassjahr.de
24. August 2022

Sri Lanka stellte im April 2022 nach jahrelangem Durchwurschteln unter dem Druck der Folgen von Pandemie und der russischen Invasion die Schuldendienstzahlungen an seine ausländischen Gläubiger ein. Schon im März begannen Massenproteste angesichts der grassierenden Wirtschaftskrise und Inflation. Seither hat die Krise u. a. zur Flucht und zum Rücktritt des von großen Teilen der Bevölkerung verachteten Präsidenten Gotabaya Rajapaksa geführt. 

Es war eine Pleite mit Ansage, denn schon seit 2021 spekulierten Investoren, wie lange Sri Lanka angesichts stetig sinkender Devisenreserven und hoher Schuldendienstbelastung den Default noch vermeiden kann. Entsprechend begannen sich Gläubiger auch schon frühzeitig auf mögliche Umschuldungsverhandlungen vorzubereiten. So schloss sich kürzlich bereits ein Gläubigerkommittee aus ca. 30 privaten Gläubigern, die Anteile an Anleihen aus allen bestehenden Serien halten, zusammen. Bekannt ist jedoch nicht, wieviel Prozent der Gesamtforderungen aus dieser Gruppe von diesem Verbund gehalten werden. 

Klar ist, dass nicht alle Gläubiger mögliche Umschuldungen akzeptieren wollen. Am 21. Juni erhob die Hamilton Reserve Bank Ltd. mit Sitz in St. Kitts und Nevis Klage vor dem Bundesbezirksgericht im südlichen Bezirk von New York auf vorzeitige Zahlung seiner Ansprüche. Klagegegenstand sind Tilgungs- und Zinszahlungen von rund 258 Millionen US-Dollar.

Die Klage ist insofern ungewöhnlich, als dass sich Sri Lanka zu dem Zeitpunkt noch nicht in Umschuldungsverhandlungen befand. Außerdem war die Anleihe, auf die sich die Klage bezieht, zum Zeitpunkt der Klage noch gar nicht fällig. Die Klage wurde zum einen mit der Ankündigung der Zahlungseinstellung im April durch die sri-lankische Regierung, zum anderen mit dem Verzug auf Zinszahlungen bei anderen Anleiheserien begründet. Daneben wirft der Kläger Sri Lanka die Verletzung der sogenannten pari passu-Klausel (also der gleichrangigen Behandlung von Gläubigern) vor – auch wenn diese gegenüber Hamilton noch gar nicht verletzt wurde. Begründet wird die Anschuldigung mit der Ankündigung der sri-lankischen Regierung, die im Inland gehaltenen Sri Lanka Development Bonds von dem Zahlungsstillstand und zukünftigen Schuldenumstrukturierungen auszuschließen. Am kommenden Freitag, dem 26. August, ist eine erste gerichtliche Sitzung zu der Klage anberaumt. 

Ob die Klage tatsächlich Erfolg hat ist unklar. Beobachter*innen sind skeptisch. Insgesamt handelt es sich zudem nur um einen Bruchteil der Gesamtverschuldung des Landes, die in den kommenden Umschuldungsverhandlungen zur Debatte steht. Sollte die Klage am kommenden Freitag erfolgreich angenommen werden, wird der Fall jedoch trotzdem größere Bedeutung bekommen. 

Sri Lanka mag zwar seine Zahlungen bereits eingestellt haben. Viele andere Länder kurz vor der Staatspleite zögern den unvermeidlichen Schritt einer Umschuldung jedoch weiter hinaus, indem sie durch mühsam zusammengekratzte Neufinanzierungen oder durch die Kürzung bei anderen Ausgaben den Schuldendienst weiter aufrechterhalten. Die Angst vor rechtlichen Risiken, die durch einen Erfolg der Klage gegen Sri Lanka weiter geschürt würde, könnte Regierungen kritisch verschuldete Länder weiter davon abhalten, den unvermeidbaren Schritt einer Zahlungseinstellung zu gehen. Insbesondere auch deshalb, weil, wie empirische Untersuchungen zeigen, Rechtsstreitigkeiten um Forderungen den Zugang zum Kapitalmarkt beeinträchtigen können. Angesichts angespannter Haushalte ist das etwas, was Regierungen (auch wenn sie den Zugang zum Kapitalmarkt zu erschwinglichen Bedingungen eh schon verloren haben) unter allen Umständen zu vermeiden versuchen. Denn anders als für Unternehmen und Privatpersonen gibt es für Staaten keinen Vollstreckungsschutz im Falle einer Insolvenz. 

Zudem erhöht ein rechtliches Vorgehen die Verhandlungsposition von Gläubigern gegenüber anderen Gläubigern: So hat beispielsweise Venezuela aus Angst vor rechtlichen Schritten die Forderungen seiner Anleihegläubiger stets pünktlich und vollständig bedient, obwohl das Land andere Gläubiger – wie Russland und China – nicht weiter bediente und obwohl die finanziellen Mittel für den Import von Basisgütern fehlten. 

Da Sri Lanka seine Zahlungen bereits eingestellt hat, könnte der Klageprozess vor allem die kommenden Umschuldungsverhandlungen empfindlich stören. So könnten auch andere Anleihehalter ermutigt werden, den Klageweg zu beschreiten. Oder es könnte, sollte Sri Lanka sich mit Hamilton einigen bzw. Hamilton ausbezahlen, zu einer Ungleichbehandlung gutwilliger Gläubiger führen, deren Bereitschaft zu konstruktiven Umschuldungsverhandlungen dadurch geschwächt würde. 

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